Tuesday, January 28, 2014

ATLANTIS-Kritik an der Deutung von Atlantis

Kritik an der Deutung der Atlantis-Erzählung als einer Erfindung Platons gibt es in verschiedener Hinsicht. Teils wird die philologische Argumentation direkt angegriffen, teils wird eine ägyptische Überlieferung vermutet, teils werden konkrete Lokalisierungen von Atlantis vorgeschlagen.

Kritik an der philologischen Argumentation

An der philologischen Begründung der Erfindungshypothese ist immer wieder Kritik lautgeworden. In den Worten von John V. Luce:„Die Skeptiker haben starke Argumente, trotzdem gab es jedoch immer eine Minderheit von Gelehrten, die bereit waren, die Möglichkeit zuzugeben, dass Platon in seiner Atlantis-Erzählung Material verwendet habe, das nicht völlig ohne historisches Gewicht war.“ Als Indizien für ein mögliches historisches Gewicht der Atlantis-Erzählung werden angeführt:
  1. Platon habe die von ihm erfundenen Parabeln immer deutlich als Mythen gekennzeichnet. Die Geschichte von Atlantis sei dagegen ausdrücklich als „logos alēthēs“ (ein wahrer Bericht) und nicht als „mythos“ (eine Geschichte) gekennzeichnet worden. Platon habe betont, dass seine Überlieferung nicht erfunden, sondern „in jeder Hinsicht“ wahr sei.
  2. Es sei kaum anzunehmen, dass Platon in seinen Gesamtplan der Dialog-Trilogie Timaios/Kritias/Hermokrates eine Geschichte aufgenommen hätte, die er selbst von Anfang bis zum Ende erfunden hat, und von der er wusste, dass sie erdichtet ist.
  3. Die Funktion der Atlantis-Erzählung als Beleg für die Richtigkeit von Platons Staatstheorien könne nur erfüllt werden, wenn es sich um eine wahre Geschichte handele.
  4. Die ausführliche und präzise Beschreibung von Atlantis mit Benennung zahlreicher Einzelheiten sei unnötig gewesen, wenn Atlantis nur als Anschauungsmodell für einen idealen Staat habe dienen sollen. Platon habe in seinen übrigen Werken auch keinerlei Interesse an technischen Details gezeigt.
  5. Details der Atlantis-Erzählung tauchten auch in anderen Dialogen Platons in einem eindeutig historisch zu verstehenden Kontext auf.

Theorien einer vorplatonischen Atlantis-Überlieferung

Da auffallende Ähnlichkeiten zwischen der Schilderung eines atlantischen Königsrituals – Stiere „ohne Waffen, aber mit Stäben und Schlingen zu jagen“ (Kritias 119d-e) – und der Darstellung minoischerStierkämpfe bestünden, hält John V. Luce es für wahrscheinlich, dass eine ägyptische Überlieferung über die Minoer Eingang in Platons Atlantis-Bild gefunden habe. Er geht dabei davon aus, dass Platon selbst in Ägypten von dieser Überlieferung Kenntnis genommen habe. Abgesehen davon, dass Platons Ägyptenreise an sich umstritten ist, konnte er jedoch keine ägyptischen Hieroglyphen lesen. Er wäre somit auf einen ägyptischen Übersetzer angewiesen gewesen. Falls er tatsächlich in Ägypten war, bliebe dennoch unklar, ob und wie ihm die mutmaßliche Überlieferung übersetzt wurde und was Platon seinerseits für seine Erzählung daraus übernommen hat.Eine vergleichbare Theorie eines vorplatonischen Atlantis liefert der Philologe Herwig Görgemanns.
Er behauptet, die von Platon erwähnte Verbrüderung der Ägypter mit den „Ur-Athenern“ sei von einem ägyptischen Bericht beeinflusst. Dieser Bericht basiere auf der Überlieferung der Seevölkerinvasion des 13./12. Jahrhunderts v. Chr. und sei durch eine angeblich schon damals existierende Verbrüderung der Ägypter und Athener gegen die „Feinde aus dem Westen“ ergänzt worden. Als sich Ägypten im 4. Jahrhundert v. Chr. von der persischen Herrschaft zu lösen begann, bekam es zunächst 386 bis 380 v. Chr.Unterstützung aus Athen durch den Athener Feldherrn Chabrias. Dies fand in Athen nicht nur Zustimmung, und so wurde 362/61 v. Chr. (unmittelbar vor der Entstehung des „Timaios“) eine Gesandtschaft nach Athen geschickt, die für eine Athenisch-Ägyptische Allianz werben sollte und dabei laut Görgemanns die veränderte Überlieferung des Seevölkersturms in Athen verbreitete. Und ebendieses Element habe Platon dann im Atlantis-Mythos verarbeitet. Jedoch ist auch diese Argumentation insofern lückenhaft, als Platon vermutlich nicht der Einzige gewesen wäre, der diese Geschichte vernommen hätte. Insofern ließe sich schwer erklären, warum nur er von Atlantis berichtet.

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