Tuesday, January 28, 2014

ATLANTIS

Im „Kritias“ beschreibt Platon Atlantis detailliert: Es sei ein Reich gewesen größer als Libyen (Λιβύη) und Asien (Ασία) zusammen (Timaios 24e). Zu Platons Zeiten verstand man unter diesen Begriffen Nordafrika ohne Ägypten und die damals bekannten Teile Vorderasiens. Die Hauptinsel lag außerhalb der „Säulen des Herakles“ im Atlantìs thálassa, wie schon Herodot den Atlantik nennt (Herodot I 202,4). Die „Insel des Atlas“ war laut Platon reich an Rohstoffen aller Art, insbesondere an Gold, Silber und „Oreichalkos“, einem erstmals in dem Hesiod zugeschriebenen Epyllion „Schild des Herakles“ genannten „Metall“, das Platon als „feurig schimmernd“ beschreibt (Kritias 114e). Weiter erwähnt Platon verschiedene Bäume, Pflanzen, Früchte und Tiere, darunter auch das „größte und gefräßigste Tier von allen“, den Elefanten (Kritias 115a). Die weiten Ebenen der großen Inseln seien äußerst fruchtbar gewesen, exakt parzelliert und durch künstliche Kanäle mit ausreichend Wasser versorgt. Durch Ausnutzung des Regens im Winter und des Wassers aus den Kanälen im Sommer seien zwei Ernten jährlich möglich gewesen (Kritias 118c-e).



Die Mitte der Hauptinsel bildete eine 3000 mal 2000 Stadien große Ebene. Ein griechisches „Stadion“ beträgt etwa 180 Metern, ein ägyptisches „Stadion“ etwa 211 Meter, daher handelt es sich um eine Größenordnung von 400 bis 600 Kilometern, also fast so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Diese Ebene war von rechtwinklig angelegten Kanälen umgeben und durchzogen, woraus eine Vielzahl kleiner Binneninseln resultierte. Um die Akropolis der Hauptstadt befanden sich drei ringförmige Kanäle, die durch einen breiten Kanal mit dem Meer verbunden waren. Die Akropolis lag auf einem Berg der zentralen Insel, die eine Breite von fünf Stadien hatte. Der innere künstliche Wassergürtel hatte eine Breite von einem Stadion, gefolgt von zwei Paaren konzentrischer Land- und Wassergürtel mit jeweils zwei und drei Stadien Breite (Kritias 115d-116a). Die äußeren zwei Kanäle schildert Platon als schiffbar.
Im Zentrum von Atlantis befand sich den Dialogen zufolge auf der Akropolis ein Poseidontempel, den Platon als „ein Stadion lang, drei Plethra (das sind etwa 60 m) breit und von einer entsprechenden Höhe“ und innen wie außen mit Gold, Silber und Oreichalkos überzogen beschrieb. Um den Tempel herum standen goldene Weihestatuen. Ein Kultbild zeigte den Meeresgott als Lenker eines sechsspännigen Streitwagens (Kritias 116d-e). In der Nähe der zentralen Anlage befand sich einHippodrom. Auch die Wohnstätten der Herrscher lagen im innersten Bezirk, der von einer Mauer umschlossen wurde. Die ringförmigen Randbezirke der Stadt beherbergten von innen nach außen die Quartiere der Wächter, der Krieger und der Bürger. Die Gesamtanlage war von drei weiteren, konzentrisch angeordneten Ringmauern umfriedet (Kritias 116a-c). Die beiden äußersten Kanäle wurden als Häfen angelegt, wobei der weiter innen liegende Kanal als Kriegshafen und der äußere als Handelshafen diente (Kritias 117d-e).
Die Macht über die Insel hatte Poseidon seinem mit der sterblichen Kleito gezeugten Sohn Atlasübertragen, der der Älteste seiner Nachkommen aus fünf Zwillingspaaren war (Kritias 114a-c). Atlas und seine Nachfahren herrschten über die Hauptstadt, die Linien seiner jüngeren Brüder regierten die anderen Teile des Reiches. Mit der Zeit wandelte sich Atlantis durch immer weiter gehende Baumaßnahmen und Aufrüstungen von einer ursprünglich ländlich geprägten Insel zu einer schlagkräftigen Seemacht. Die Nachfahren des Atlas und seiner Geschwister verfügten über ein einzigartiges Heer und eine starkeMarine mit 1200 Kriegsschiffen und 240.000 Mann Besatzung allein für die Flotte der Hauptstadt (Kritias 119a-b). Mit dieser Streitmacht unterwarfen sie Europa bis Tyrrhenien und Nordafrika bis Ägypten (Timaios 24e-25b). Erst die zahlenmäßig weit unterlegenen Athener konnten diesen Vormarsch zum Erliegen bringen.
Diese militärische Niederlage von Atlantis wird dabei als Strafe der Götter für die Hybris seiner Herrscher dargestellt (Timaios 24e; Kritias 120e, 121c). Weil der „göttliche Anteil“ der Atlantiden durch die Vermischung mit Menschen zusehends geschwunden sei, seien sie von Gier nach Macht und Reichtum ergriffen (Kritias 121a-c) worden. Der „Kritias“ bricht ab, bevor die Götter sich zu einem Gericht über das Reich versammeln, bei dem weitere Strafen beraten werden sollten: „Der Gott der Götter aber, Zeus, welcher nach den Gesetzen herrscht und solches wohl zu erkennen vermag, beschloß, als er ein treffliches Geschlecht (so) schmählich herunterkommen sah, ihnen Strafe dafür aufzuerlegen, (121c) damit sie, durch dieselbe zur Besinnung gebracht, zu einer edleren Lebensweise zurückkehrten. Er berief daher alle Götter in ihren ehrwürdigsten Wohnsitz zusammen, welcher in der Mitte des Weltalls liegt und eine Überschau aller Dinge gewährt, welche je des Werdens teilhaftig wurden, und nachdem er sie zusammenberufen hatte,sprach er…"
Ur-Athen
Neben Atlantis beschreibt Platon im „Kritias“ das „Ur-Athen“, wenn auch deutlich kürzer. Das alte Athen ist im Gegensatz zum realen Athen aus Platons Lebzeiten eine reine Landmacht, die Attika bis zum Isthmus von Korinth beherrscht habe (Kritias 110e). Obgleich in der Nähe der Küste gelegen, verfügte es über keine Häfen und betrieb aus bewusst gefasstem Entschluss keine Seefahrt. PlatonsPolis Athen wird als ein äußerst fruchtbarer Landstrich beschrieben, bedeckt von Feldern und Wäldern, und „imstande, ein großes Heer von den Geschäften des Ackerbaues Befreiter zu unterhalten“  (Kritias 110e-111d). Die Göttin Athene selbst habe die politischen Strukturen und Institutionen im nach ihr benannten Stadtstaat gestiftet, die Platon als nahezu identisch mit jenen seines im „Politeia“ beschriebenen Idealstaates darstellt. Als Athen von Atlantis angegriffen worden sei, habe es die Angreifer zurückschlagen können und habe dabei sogar einige bereits unterworfene griechische Stämme befreit. Als Grund, warum im antiken Griechenland keine Aufzeichnungen, Geschichten oder Sagen vom glorreichen Sieg über die Atlanter existieren, nennt Platon Erdbeben und Überschwemmungen, die immer wieder die alten hellenischen Stämme heimsuchten. Platon erwähnt aber auch eine sehr große und besonders verheerende Flut, die den Untergang der herrschenden Oberschicht an den Küsten zur Folge hatte. Sie ließ nur einen kleinen Teil des Lesens und Schreibens unkundiger Bauern zurück, die in den Bergregionen lebten. Dadurch sei das komplette Wissen, das sich die Griechen bis dahin angeeignet hatten, verloren gegangen.

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